Filter

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Ich bin schon skeptisch, was all die digitalen Filter angeht. Ich lehne Nachbearbeitung nicht ab, wie könnte ich das? Genau genommen gibt es kein einziges Foto von mir, das nicht nachträglich am Computer bearbeitet worden ist. Aber manchmal ist man versucht, an einem Bild herumzudoktern, damit es "halt nach was aussieht", ob das Motiv an sich Potenzial hat oder nicht. Es ist ein bisschen wie mit übertriebener Kosmetik, und bei der Fotografie möchte diese Kosmetik die Bilder gern mit vorgefertigten Emotionen aufladen. Es geht darum, mit mehr Nachdruck nichts zu sagen. Das gab's schon lange vor Photoshop. Die Fotozeitschriften in den Achtzigern und Neunzigern waren voll mit Landschaften, Gesichtern und Körpern, die so nie existiert haben..

Die heutigen Möglichkeiten nutze ich extensiv. Die Grundlage von The tonnage of seventeen years ist nicht bei Nacht fotografiert worden, die Farbtöne von Mambo gefallen mir besser als die des "Originalfotos", für Directed energy weapons in plant space gilt das Gleiche. Der "natürliche" Look von Acetate hat ziemlich viel Arbeit gekostet.

Mit diesem Stück hier war es anders. Ich ging an einer Schweizer Bahnlinie lang und kam dabei an einem grünen Plastikspender für Hundekotbeutel vorbei. Der Aufkleber mit dem Erklärungspiktogramm war von Sonne und Zeit verschönert worden, die ausgeblichenen Farben und die Risse im Material fielen mir sofort auf. Daheim wollte ich diese Mikrolandschaft durch Nachbearbeitung herausarbeiten. Zuerst hatte ich kein Glück, die Sache blieb banal. Aber ich zog doch noch ein paar Filter drüber, und der Zufall kam mir zu Hilfe. Plötzlich gab es ein Ergebnis. Ich kann immer noch nicht sagen, worin es genau besteht. Vielleicht funktioniert der Farbkontrast zwischen dem verwaschenen Grün und dem braunen Rahmen besonders gut. Oder die Risse und Brüche in dem Aufkleber wirken wegen dem kreisförmigen Rahmen, als würden sie unter einem Mikroskop betrachtet. Dieses Foto ist jetzt eine Zeitmaschine, die mich auf kaum beschreibbare Art in die frühen Siebziger zurückversetzt. Wo ich aber keine Erklärungen finde, hilft die Musik. The Future Never Comes von Deru sagt auf magische Weise etwas zu diesem Bild, wofür ich keine Worte habe. Oder nicht die richtigen.

Es scheint, als bräuchte man ab und zu digitale Filter und Musik, um das Bild im Bild zu finden.

Langsam

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Die Lichtgeschwindigkeit kann bleiben, wo sie will. Uns beide umgibt eine langsame Elektrizität mit metaphysischem Honig, so dass unsere Haut prickelt, in Vorwegnahme von Ereignissen, die vielleicht nie eintreten. Wir glühen und summen wie Transformatoren, weil all diese Energie durch uns hindurch abfließt. Wenn die Spannung selbst Nikola Tesla in Neid versetzen würde – kein Problem. Aber die Geschwindigkeit des Stroms muss so gering wie möglich sein. Draußen drücken die Grillen mit ihrem Zirpen sowohl Sorge als auch Zustimmung aus.

Bildband

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Manche meiner Fotos sehen aus, als kämen sie aus den alten Bildbänden meines Vaters. Nicht, dass ich dieselben Motive abgelichtet hätte. Da ist eher eine Stimmung, ein Look. Ein gewisses Genre von popularisierter Kunstbildnerei war das. Menschen aus allen Erdteilen, beobachtet bei ihrer unaufhaltsamen Modernisierung durch den PKW und den Fernseher. Man sah tatkräftige Fabrikarbeiter beim Maschinenbau, Paare beim Spaziergang vor dem Atomium und die Kirschblüte in Nagano (1953). Aber die Moderne ließ viele melancholische Seitenblicke zu. Momente, die nicht von Produktivität, Chrom und froher Zukunftserwartung bestimmt waren. Als ich die langsam vergilbenden Bücher in den späten Siebzigern aufschlug, erzählten sie bereits von der Zukunft wie vom Jüngstvergangenen. Da ich um mich herum keine Trümmer entdecken konnte, nahm ich an, die zukunftsverschlingende Katastrophe sei eine stille gewesen.

Grau

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Silbergrau vor Müdigkeit stolperten wir in die Stadt, denn es war natürlich nichts gewesen mit dem Schlaf im Nachtzug. Ich trank gegen alle Gewohnheit einen Kaffee, aber das machte die silbernen Ränder der Bühne nur heller, auf der wir uns hin und her bewegten. Unsere Füße liefen von selbst zur Speicherstadt, wie man es von den Pferden kennt. Dort war in aller Frühe Sherlock Holmes zur Überwachung interessanter Gewalttaten unterwegs, aber wir begegneten ihm nicht, denn er war viel zu schnell und hatte auch schon für alles eine Lösung. Wir aber wären beinahe von den Brücken gefallen, nur um zu wissen, wie es so ist als Wasser. Nachdem wir die Speicherstadt und andere Sehenswürdigkeiten mit unseren fotografischen Geräten silbergrau gemacht hatten, fanden wir uns bei einer Modellwelt im Maßstab 1:87 ein, um uns auch mal von oben zu sehen. Nach dieser Prüfung durften wir unsere Zimmerwirtin aufsuchen, die von Beruf Schauspielerin war. Das aber hatte geheim zu bleiben.

Mono

Multi