Buch

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Dann wollte ich ein Buch machen. Es sollte Bilder von dir enthalten. Die allerersten, als du im Bauch deiner Mutter warst. Die, auf denen du bald 18 wurdest. Und die dazwischen auch.

Angeblich ist es ganz einfach, so ein Buch zu machen. Man schickt Bilder an eine Internetdruckerei, und zwei Wochen später kommt das Buch. 1,2,3, sorgenfrei.

Der Teufel ist sehr klein, damit er in die winzigsten Details reinpasst. Er sitzt da und kichert. In diesem Fall über die Qual der Wahl, über Farbräume und über Gefühle.

Es ging also darum, die Geschichte eines 18-Jährigen in ungefähr 100 Bildern zu erzählen. Dich noch einmal aufwachsen zu sehen, dieses Mal in Zeitraffer: seltsam. Was für ein süßes Kind du gewesen warst. Was für ein cooler Typ aus dir geworden war. Die Leute meinen oft, dass du mir ähnlich siehst. In Wirklichkeit bist du viel entspannter und selbstbewusster, als ich es je gewesen bin. Außerdem siehst du besser aus.

Während meiner Arbeit an dem Buch hast du mir von deiner Begegnung mit einem Hirschkäfer erzählt, der nah am Bürgersteig, über den du gingst, auf der Straße unterwegs war. Weil du ein freundlicher Mensch bist, hast du ihn davor bewahrt, von einem Auto- oder Radfahrer zerquetscht zu werden. Du hast mir die Käferbilder auf deinem Smartphone gezeigt und warst wieder der Siebenjährige, den Raupen so unendlich faszinierten. Du hast den Käfer nicht nach Hause mitgenommen, sondern auf einer Wiese freigelassen, denn er gehört zu einer bedrohten Art. Das erklärte dir Wikipedia nach eurer Begegnung. Als du geboren wurdest, gab es Wikipedia nicht.

Manche der Bilder, die ich auswählte, erinnerten mich an die Zeiten, in denen sich das Vatersein wie nichteuklidisches Tischtennis anfühlte. Ich wusste nicht, wie ich mit deinem Hass auf die Schule umgehen sollte. Du schon. Du hast ihr den Finger gezeigt und dich einfach durchgelächelt. Hab ich nie geschafft.

Allgemeinbildung? Da konnte ich dir nur mit Kinofilmen kommen. Auf die Art hatten wir Gelegenheit, über Politik, Geschichte und Gesellschaft zu diskutieren. Themen, die deine Schule anscheinend komplett uninteressant fand – auch egal, du hättest deinen Lehrern sowieso nicht zugehört.

Ich wählte die Bilder aus. Bei manchen war der Farbraum falsch. Ich musste sie konvertieren und hoffte, die Internetdruckerei würde keinen Mist bauen.

Der Teufel kann ein Arsch sein, aber üblicherweise ist er nicht so böse. Hauptsächlich will er dich daran erinnern, dass du die Welt nicht kontrollierst. Oder die Farben in deinen Bildern. Oder, wenn wir schon dabei sind, deine Gefühle.

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