Nachlicht

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Es ist sehr leicht, der Stille zu begegnen. Du installiert dich in der tiefen Provinz und wartest auf den Weihnachtsabend. Etwa um 21.00 Uhr gehst du auf einen Sprung nach draußen. Die Dorfstraßen sind leer. Alle anderen verdauen jetzt, oder sie begutachten die Ergebnisse der Schatzsuche. Möglicherweise weht ein leichter Wind, möglicherweise nieselt es; Schnee kommt erst im Januar. All der Weihnachsschmuck, der bald weggeräumt werden wird, glüht in milder Radioaktivität vor sich hin. Fotos kannst du machen, das geht in Ordnung. Kein Blltz bitte.

Du bewegst dich nicht in einer schalltoten Kammer; die Stille ist wohlmeinend. Ab und zu zieht ein Flugzeug über den Himmel, eine weit entfernte Autobahn murmelt dir zu.

Weil dein Spaziergang kein wirkliches Ziel hat, brauchst du dich nicht zu beeilen. Aber bleib in Bewegung; zu lange Pausen könnten als Herumlungern ausgelegt werden.

Linse

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Würde ich wollen, dass Fotos von mir veröffentlicht werden, auf denen ich in einem Café sitze, durch einen Park spaziere, Rad fahre? Kommt darauf an. Niemand möchte Portraits von sich sehen, die in einen falschen Kontext gerückt oder mit ätzenden Bildunterschriften und herablassenden Kommentaren verziert werden.

Aber man kriegt kein authentisches Bild, nachdem man um Erlaubnis gebeten hat. Es gibt nur sehr wenige Leute, die natürlich agieren können, nachdem man angekündigt hat, ein Foto von ihnen zu machen. Funktioniert einfach nicht. Deswegen frage ich manchmal nicht nach. Und wenn ich nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung komme, dass die Bilder, die ich ohne Erlaubnis gemacht habe, Kunst sind, und dass sie die Abgebildeten nicht herabwürdigen, veröffentliche ich sie auch.

In dem Moment, in dem man eine Kamera kauft, geht man einen Vertrag ein. Wer seine Kamera nicht nutzt, um anderen die Welt zu zeigen, wie er sie sieht, vernachlässigt seine Pflicht als Kamerabesitzer. Er verschwendet Geld und Technik. Warum überhaupt eine Kamera haben, wenn man an dem visuellen Gespräch über die Welt nicht teilnehmen will, das sie ermöglicht? Und welches Thema könnte für dieses visuelle Gespräch interessanter sein als andere Menschen?

Fotos lügen nicht, sagt man, aber Menschen tun es, weil sie gar nicht anders können. Also fange ich sie manchmal mit meiner Kamera ein, bevor die Körpersprache zu lügen anfängt.

(Dies war keine Rechtsberatung. Wer sich hier wiedererkennt und es nicht mag: Kontakt)

Kunst

Garten

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Einmal im Jahr brauchen wir den Garten. Eigentlich ist er eine Versuchs- und Lehranstalt, und wir fühlen uns immer gut versucht und belehrt, wenn wir an den sauber angelegten und ausgeschilderten Beeten vorbeigehen. So viel von all dem ist so schön. Auf unserem Rundgang werden wir jedes Mal von Rentnern begleitet, die wissend nicken: Diese Rosensorte haben sie daheim auch. Sie kommen extra her, um sich bestätigen zu lassen, dass auch ihre eigenen Pflanzen bewundernswert sind. Wir aber haben keinen Garten. Einen Garten betreiben und ihn genießen, das sind zwei verschiedene Paar Schuh. Immerhin lesen wir auch pflichtschuldigst die Erklärungen zu den Auswirkungen des Klimawandels; es darf nicht alles nur einfach paradiesisch sein. Das lockere Schattenwälchen erinnert an einen Friedhof ohne Grabsteine. Die öffentlichen Toiletten sind auch sauber. Auf einer benachbarten Wiese stehen Pferde und gehen ihrem träumerischen Beruf nach. Die Gärtner sind nie zu sehen.

Ergebnisse

Insel

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Coney Island ist als Rätsel sehr rein entsprungen. Es ist nicht einmal eine Insel. Auch in der Vorsaison gibt es schon superschlechte Hot Dogs, Gitarristen mit Schepperverstärkern und Rentnerinnen, die absolut keine Furcht kennen, weil die Tage der Prüfungen hinter ihnen liegen. Die Parkplätze können noch allein heiß werden in der Sonne. Die Fahrgeschäfte müssen sich noch sammeln, um einen ganzen Sommer lang leuchten zu können. Später dann, wenn alle an den Strand gehen, ist er immer noch nicht der Strand einer Insel.

Es waren schon Leute in diesem Bild. Ich musste sie aber rausretuschieren, um es der Wahrheit näher zu bringen.

island / no island