Linse
18/12/17 00:30
Würde ich wollen, dass Fotos von mir veröffentlicht werden, auf denen ich in einem Café sitze, durch einen Park spaziere, Rad fahre? Kommt darauf an. Niemand möchte Portraits von sich sehen, die in einen falschen Kontext gerückt oder mit ätzenden Bildunterschriften und herablassenden Kommentaren verziert werden.
Aber man kriegt kein authentisches Bild, nachdem man um Erlaubnis gebeten hat. Es gibt nur sehr wenige Leute, die natürlich agieren können, nachdem man angekündigt hat, ein Foto von ihnen zu machen. Funktioniert einfach nicht. Deswegen frage ich manchmal nicht nach. Und wenn ich nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung komme, dass die Bilder, die ich ohne Erlaubnis gemacht habe, Kunst sind, und dass sie die Abgebildeten nicht herabwürdigen, veröffentliche ich sie auch.
In dem Moment, in dem man eine Kamera kauft, geht man einen Vertrag ein. Wer seine Kamera nicht nutzt, um anderen die Welt zu zeigen, wie er sie sieht, vernachlässigt seine Pflicht als Kamerabesitzer. Er verschwendet Geld und Technik. Warum überhaupt eine Kamera haben, wenn man an dem visuellen Gespräch über die Welt nicht teilnehmen will, das sie ermöglicht? Und welches Thema könnte für dieses visuelle Gespräch interessanter sein als andere Menschen?
Fotos lügen nicht, sagt man, aber Menschen tun es, weil sie gar nicht anders können. Also fange ich sie manchmal mit meiner Kamera ein, bevor die Körpersprache zu lügen anfängt.
(Dies war keine Rechtsberatung. Wer sich hier wiedererkennt und es nicht mag: Kontakt)
Kunst