Tanz mit mir
15/05/17 18:03
Als ich die Bühne sah, verließ mich fast der Mut. Sie war ganz schwarz; die Tänzerinnen und ein Tänzer machten ihre Aufwärmübungen in Alltagsklamotten, und ich fürchtete, Licht und Kontrast würden an diesem Abend Mangelware sein. Aber ein Auftrag ist ein Auftrag, und ich hoffte das Beste.
Auch während der wirklichen Generalprobe trugen die Tänzerinnen gewöhnliche Kleidung, aber die war immerhin kamerafreundlicher. Man hatte mir erlaubt, während der Probe bei Bedarf die Bühne zu betreten; Entfernung würde kein Problem sein. Trotzdem war ich mir der Ergebnisse nicht sicher – wahrscheinlich würde das Bildrauschen alles ruinieren. Zieh es durch, sagte ich mir; du brauchst nur zehn gute Fotos. Bei 500 - 800 Aufnahmen sollte doch was dabei sein, oder?
Die Tänzerinnen tanzten, tanzten, tanzten, und ich drehte meine eigenen, viel unbeholfeneren Pirouetten. Ich kniete, saß, lag, kauerte, streckte mich. Ich prüfte meine Einstellungen, befestigte meine Kamera an meinem Einbeinstativ und löste sie wieder, behielt ein Auge auf den Videoaufzeichnungen – ein absurdes Ballett der ganz eigenen Art, glücklicherweise gnädig verborgen im Dunkel außerhalb der Bühne.
Dann erschienen Nils und Theresa. Ich war aus drei Gründen dankbar. Ihre weißen Oberteile konnte der Autofokus meiner Kamera vor dem nachtschwarzen Hintergrund leicht verfolgen. Zweitens diskutierten sie tanzend, was Liebe ist, in einer ganz klaren Bewegungssprache. Das berührte mich.
Drittens erinnerten sie mich an David Foster Wallace. In einem brillanten und seltsamen Essay mit dem Titel Roger Federer as Religious Experience (Roder Federer als religöse Erfahrung) schreibt er:
Die menschliche Schönheit, von der wir hier sprechen, ist von einem besonderen Typ; man könnte sie vielleicht kinetische Schönheit nennen. (…) Sie scheint aufzutreten, wenn sich Menschen mit der Tatsache versöhnen, dass sie einen Körper haben.
Ich will hier nicht behaupten, den gleichen Erleuchtungen wie David Foster Wallace ausgesetzt gewesen zu sein, und ich denke, dass sein Aufsatz größtenteils entzückender Unfug ist. Trotzdem näherten sich Nils Freyer und Theresa von Hunoltstein einem Zustand der Versöhnung mit der Tatsache ihrer Körperlichkeit an.
Statt 500 - 800 Aufnahmen hatte ich 3700 gemacht. Es waren brauchbare dabei.
Semiprofessioneller Muskelkater ist real.
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